The Thief Of Her Heart
Stumm betrachtete sie die Bilder in ihrer Hand. Schon bei dem ersten erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht und ihre Augen nahmen jenen träumerischen Ausdruck an, der sie immer überkam, wenn sie an etwas Schönes dachte. Die Bilder zeigten enge Freunde, Landschaften und all jene Dinge, die ihr etwas bedeuteten. Manche waren schon sehr alt, Spuren des Alters zeigten sich auf ihnen, seien es Knicke oder Kratzer, oder das ausbleichen der Farbe. Andere waren sehr neu und sie hatte das Gefühl, noch die Farbe riechen zu können, mit der die Motive auf das Papier gebannt worden waren. Noch immer hielt sich das Lächeln in ihrem Gesicht, nur wenig konnte es davon abhalten den ganzen Tag darauf zu bleiben. Die alte Frau legte die Bilder beiseite, wieder an den Ort, an dem sie sie aufbewahrte und jedes Mal hervor holte, wenn sie sich den Orten und Personen wieder nahe fühlen wollte. Besonders ein Bild bedeutete ihr viel, sie nahm es erneut zur Hand. Darauf sah man den Mann, der ihr Herz gestohlen hatte und es seit damals besaß. Auch die Stadt, die man im Hintergrund sah besaß einen Platz in ihrem Herzen. Dort war sie aufgewachsen. Ihre Eltern hatten ihr in dieser Stadt alles beigebracht, was sie wussten und sie mit viel Liebe und gut gemeinten Ratschlägen in die große, weite Welt entlassen. Das alles war schon so lange her, doch manchmal kam es ihr so vor, als wäre es erst gestern gewesen. Wieder sah sie in das Gesicht des Mannes auf dem Bild. Über das gesamte Gesicht lachend, blickte er in die Kamera. Seine Augen sprühten vor lauter Lebensfreude. Ihre Farbe war auf dem Bild nicht zu erkennen, es war Schwarz-Weiß. Doch die alte Frau erinnerte sich noch genau an ihre Farbe. Strahlendes Blau in einem von der Sonne gebräunten Gesicht. Das Haar, von der Sonne gebleicht, leuchtete in einem hellen Blond. Wie oft hatte sie sich in seinen Augen verloren und war zärtlich mit ihren Händen durch sein Haar gefahren? Ihre Liebe war unzerstörbar gewesen. Doch das Schicksal hatte manchmal andere Pläne. In einer Sommernacht, die ihre Abschiedsnacht werden sollte, hatte sie nicht daran geglaubt. Sie war der festen Überzeugung gewesen, dass man sie niemals voneinander würde trennen können. Sie hatte feststellen müssen, dass sie sich irrte. Seine Eltern hatten andere Pläne für seine Zukunft gehabt. Auch ihre waren mit ihrer Liebe nicht einverstanden gewesen. Und dennoch hatten sie die Zeugung ihrer Tochter nicht verhindern können. Die alte Frau lächelte bei dem Gedanken daran, wie sie ihre Tochter das erste Mal in den Armen gehalten hatte. Die blauen Augen ihres Vaters und das kastanienbraune Haar ihrer Mutter. Ihr Vater jedoch, hatte sie nie zu Gesicht bekommen. Er starb bei einem Unfall, kurz vor seiner Heirat mit einer anderen Frau. Damals hatte nur ihre Tochter sie davor abgehalten in ein tiefes, schwarzes Loch zu fallen. Doch sie hatte sich wieder hoch gekämpft, erneut gelernt das Leben zu schätzen. Ihre erste und einzige Liebe hatte sie allerdings nie vergessen. Kein Anderer hatte seinen Platz einnehmen können. Ihre Tochter hatte immer von der ewigen Liebe geschwärmt, wenn sie von ihren Eltern sprach. Die alte Frau schmunzelte bei diesem Gedanken. Seufzend strich sie ein letztes Mal über das Bild und legte es dann beiseite.
Ein hohes Kinderlachen unterbrach jeden weiteren Gedanken. Lächelnd breitete sie ihre Arme aus und fing den kleinen Körper auf, der sie energisch umarmte. „Oma!“
Sanft strich sie über den Lockenkopf ihres Enkels und sah ihrer Tochter entgegen, die das Zimmer betrat. In ihren Augen stand so viel Liebe, die Liebe einer Mutter, einer Großmutter und die zu dem Räuber ihres Herzens.
Sehr sehr sehr schön :))