Her own magical world
Jane war nicht gerade ein geselliger Typ. Sie brauchte ihre Freunde nicht jede Stunde am Tag um sich herum. Manchmal, da hatte sie fast eine ganze Woche keinen Kontakt zu ihnen. Viele werden sich jetzt sicher fragen, was sie denn dann den ganzen Tag anstellt. Nun Jane liebte es, sich auf die Couch, oder auf ihr Bett zu legen, sich in Decken zu kuscheln und einfach nur zu lesen. Meist verschlang sie ganze Bücher an einem einzigen Tag. Ihr Bücherregal brauchte stets Nachschub und platzte schon aus allen Nähten, sehr zum Ärger ihrer Mutter. Die brachte stets Einwände, wenn Jane sich ein Neues wünschte. „Wozu brauchst du denn noch eins? Kauf einfach weniger Bücher und verbring deine Zeit mit deinen Freunden.“, pflegte sie immer auf ihre Frage, nach einem neuen Bücherregal, zu antworten. Ihre Mutter verstand sie einfach nicht. Sie verstand nicht, dass für Jane ihre Bücher alles waren. Durch sie öffneten sich ihr neue, unbekannte Welten und sie stellte sich meistens vor, selbst darin zu sein und Abenteuer zu erleben. Meistens waren es Liebesgeschichten, die Jane verschlang. Ihr war sehr wohl bewusst, das eine solche Geschichte kaum real sein konnte, aber sie konnte trotzdem nicht umhin, von ihrem Seelenpartner zu träumen. Wenn Jane einmal nicht in die Welt der Bücher versank, dann sah sie sich einen Film an. Auch hier waren ihre Liebsten die Liebesfilme. Vor allem den einen Film, ihren Lieblingsfilm, den sah sie sich fast täglich an. Sie kannte ihn auswendig und auch das Buch dazu. Stolz erzählte sie meistens ihrem Vater von der Geschichte, der sie deswegen auch Recht gut kannte. Er war jemand, der Jane verstand. Er selbst war guten Lektüren nicht abgeneigt und war begeistert von der Leselust seiner Tochter. Mit ihm konnte Jane stundenlange Gespräche führen, auch wenn seine Bücher sie gar nicht interessierten. Er pflegte sie mit einem solchen Interesse und einer solch anmutigen Art zu erzählen, das man gar nicht anders konnte, als gefesselt seinen Erzählungen und meist auch seinen untermalenden Gesten zu folgen. Auch wenn Jane Kummer verspürte, wusste sie, dass sie sofort zu ihrem Vater gehen konnte. Dieses Wissen und das Vertrauen zu ihrem Vater beruhigten sie immer. Sie wusste, das sie nicht allein war und das es da immer jemanden geben würde, der zu ihr hielt. Er war ihr Held und ihr Fels in der Brandung. Als er starb, da ging für Jane zunächst eine Welt unter. Man sah sie nie anders, als mit traurigen Augen und Tränen, die ihre Wangen hinunter liefen. Ihre Mutter konnte ihr keinen Trost spenden, sie wusste gar nicht wie. Sie kam nicht an ihre Tochter heran und verstand sie auch nicht. Ihre Mutter hatte das immer bereut, dass das Verhältnis zu ihrer Tochter so schlecht war, daran geändert hatte sie trotz allem nichts. Jane ließ niemanden an sich heran und flüchtete immer in ihre eigene kleine Welt. Sie war zuerst sehr dunkel und kalt, doch nach und nach ließ Jane wieder etwas Licht und Wärme herein. Die Zeit heilte die Wunde, die der Tod ihres Vaters hinterlassen hatte. Zwar heilte diese Wunde langsam, aber das machte Jane nichts aus. Im Gegenteil, so fühlte sie wenigstens, wie viel ihr Vater ihr bedeutete. Eines Tages, als Jane wieder einmal in ihre Welt geflüchtet war, da sah sie etwas. Zunächst hielt sie die Gestalt für ein Wunder. Dann, als sie näher kam, wusste Jane einfach, das es unmöglich war. Sie sah sich ihrem Vater gegenüber, der sie sanft anlächelte und dessen Augen voller Liebe zu ihr strahlten. Jane konnte sich nicht halten, rannte zu ihrem Vater und warf sich in seine Arme. Sie verstand es nicht. Er war doch fort! Und doch stand er hier vor ihr, hielt sie in den Armen und murmelte liebevolle Worte in ihr Ohr. „Wie?“, fragte Jane fassungslos. Ihr Vater sah sie nur an. Jane konnte es sich nicht erklären, doch sie wollte diesen Zauber nicht brechen, wollte nicht, dass dieses Wunder vorüberging. Sie nahm etwas wahr und runzelte die Stirn. Sie konnte eine Berührung spüren, doch es war nicht die ihres Vaters. „ Jane! Jane wach auf!“, hörte sie die Stimme ihrer Mutter. Jane schlug die Augen auf und setzte sich verwirrt auf. Sie hatte geschlafen, das alles nur geträumt. Tränen verschleierten ihre Sicht. Ihre Mutter sah sie nur fragend an. Ihr Blick war bekümmert, doch sie konnte Jane sowieso nicht helfen. Dem öden Alltag entfliehend, versank Jane wieder einmal in ihre eigene Welt. Kaum war sie dort, schon sah sie wieder ihren Vater, lief zu ihm und umarmte ihn. Da wusste sie es, wusste, dass sie ihn nur ihn ihrer Welt sehen konnte, da er in der anderen nicht mehr existierte. Jane tat dieser Gedanke einerseits weh, andererseits war ihr Vater nicht für immer fort, er war dort, wo nur Jane ihn sehen konnte. Und so flüchtete Jane jeden Tag mehr und mehr in ihre Welt, verbrachte die Stunden mit ihrem Vater und den ihr so bekannten Gesprächen, die sie die letzten Monate so schrecklich vermisst hatte. Die Welt dort draußen? Die zählte für Jane nicht mehr. Es gab nur noch sie, sie und ihren Vater. Mehr war nicht nötig und mehr würde sie auch nie brauchen um glücklich zu sein.
yuki flies away am 23. Juni 12
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